Tag 9
Nach der Anstrengung von gestern wollen wir es heute etwas ruhiger angehen lassen.Bei mir hält
sich der Muskelkater sehr in Grenzen - zwar zwickt die linke Wade leicht, aber wohl eher, weil meine linke Achillessehne schon seit langer Zeit Ärger macht - da kam wohl eins zum anderen. An
sonsten fühle ich mich fit. Matthias zwicken die Waden auch etwas, aber als Sportler haben wir es doch ganz gut verkraftet.
Wir fahren auf der New Road bis kurz vor Iraklion
und biegen dann zu dem Kunstdorf Arolithos ab. Das dorf wurde im kretischen Stil erbaut, die Innenausstattung soll noch original sein und selbst ein Schmied verrichtet zur Schau der Touristen
seine Arbeit. Wohnen kann man dort auch. Das scheint recht nett gemacht zu sein und wirkt sehr gemütlich.
Danach fahren wir ein kleines Stückchen weiter
nach Tillisos, wo es mitten im Dorf eine kleine Ausgrabung gibt. Nur zwei Straßen entfernt von der Hauptstraße kann man in einem privaten Hof kostenlos parken - wenn man früh genug kommt. Wir haben Glück und sind gerade die letzten, die das packen - die nächsten Autos, und
es kommen augenblicklich 3 oder 4, müssen schon auf die Suche nach einem Parkplatz gehen.
Direkt nebenan ist der Eingang. Und wir haben noch mal Glück: Wir müssen nichts zahlen. Im
Reiseführer stand etwas von ca. 1,80 EUR, aber scheinbar ist heute oder zu dieser Zeit der Eintritt frei, oder der Wächter hatte besseres zu tun? Uns soll es egal sein - wir schauen uns die Reste der
minoischen Villen aus der Zeit um 1600 v.Chr. an.
Weiter geht es nun ins Landesinnere nach Gonies. Kurz davor machen wir an einer Kehre halt und
überblicken die Weite. Das Wetter ist noch wunderschön, aber am Horizont erkennt man schon
Wolken. Was aus denen später wird, werden wir noch sehen
Nun fahren wir endgültig in Richtung Nida-Hochebene. Dabei kommen wir
in Anogia vorbei. Wie so viele Dörfer hat auch Anogia eine tragische Geschichte. Sie ist verknüpft mit dem Kampf gegen die Türken, aber auch mit dem Kampf gegen die deutschen Invasoren im zweiten Weltkrieg. Das Dorf ist vom
Wiederstand geprägt. Zwischen dem 13. August und dem 5. September 1944 wurden 950 Häuser zerstört. Offiziell sind 117 Menschen durch die Greuel der Nazis ums Leben gekommen. Heute ist davon wie überall auf Kreta nichts zu
spüren - deutsche Touristen sind gerne gesehen. Man hat aber nicht den Eindruck, daß es nur wegen des Geldes ist, das sie bringen.
In den Straßen werden wie so oft im Landesinneren Webwaren angeboten, vieles davon außen an der
Hausfassade aufgehängt oder sogar auf der Motorhaube von geparkten Autos abgelegt. Angeblich muß man inzwischen aber aufpassen, daß es sich nicht um Massenware aus Taiwan sondern um handgefertigte Dinge handelt.
Man wird immer wieder angesprochen - beliebtester Satz:
“We are you from?” Wenn man dann “Germany” antwortet, bekommt man oft zu hören “oh, ich war auch schon in Deutschland” und so weiter. Was davon Masche und was echt ist, kann man
dabei kaum unterscheiden. Mir ist es eher unangenehm.
Wir biegen nun ab und von nun an geht es viele Kurven und Serpentinen steil hinauf ins Gebirge. Die Landschaft wird schnell kahl und wir nähern
uns der Hochebene. Mitten in der Höhe auf der anderen Seite der Hochebene liegt irgendwo die Ideon Andron - die Idäische Höhle. Sie soll der Aufenthaltsort des jungen Zeus gewesen sein. Allerdings ist die Höhle wohl nur aus
mythologischer Sicht wichtig. Für den Touristen bietet sie wohl wenig sehenswertes, wir wollen daher den langen Weg auf der Schotterpiste bis dahin nicht auf uns nehmen. Bis zur Hochebene
selbst kommt man noch sehr gut auf asphaltierter Strasse, aber danach soll es anders werden. Daher und weil das Wetter sich dramatisch verschlechtert, wollen wir nur noch einen Blick auf die
Hochebene werfen und dann umkehren. Die Wolken ziehen stark herein und es sieht nach Regen aus - auf solch ungesicherten Gebirgsstraßen ist das kein Spaß. Wir erhaschen
gerade so einen Blick, dannn fallen von der Südeseite die Wolken mit Macht über die Gipfel ins Tal - die Kulisse wird augenblicklich gespenstig. Man fragt sich unwillkürlich, ob der mächtige
Zeus diese Wolken geschickt hat. Mit einer dramatischen Geschwindigkeit kommen die Wolken näher und auf dieser kurvenreichen Strecke haben wir keine Chance, dem Regen zu entfliehen.
Zunächst fahren wir zu der Sfandoni-Tropfsteinhöhle. Dort trinken wir -
während es sich richtig einregnet - eine Frappé, denn die Führung durch die Höhle beginnt erst um 1400 Uhr. Das sind noch ca. 20 Minuten. Die Höhle ist beeindruckend: Sie ist ca. 270m lang, hat ca. 3500m2 und ist
den Leuten im Ort seit ca. 300-400 Jahren bekannt. Früher haben die Schäfer im Winter ihre Herde hier hineingetrieben, denn die Höhle hat selbst im Winter konstant 18° Celsius. Seit 50 Jahren wird die
Höhle erforscht, aber Spuren weisen darauf hin, daß die Höhlöe den Menschen schon ca. 5500 Jahre bekannt war. In einem nicht zugänglichen Teil der Höhle hat man das 1000 Jahre alte Skelett eines Jungen gefunden, der sich
in der Höhle wohl verirrt hatte und gestorben ist.
Danach fahren wir weiter in Richtung Heimat. Der Regen, das schwammige Fahrwerk des Clios,
dazu das feine Geröll auf der Straße und eine S-Kurve sind eine gefährlich Mischung - das merken wir spätestens, als wir mit einem ordentlichen Rumms im Graben landen! Zunächst schießt mir
nur durch den Kopf “scheiße, jetzt schifft es wie blöd, kein Mensch weit und und breit und das Auto bekommen wir alleine nie aus dem Graben”. Aber ich sollte mich täuschen. Matthias legt
den Rückwärtsgang rein, ein wenig Schieben meinerseits - das Auto steht wieder auf der Straße. Und sollte eine Schramme dazugekommen sein, dann können wir keine zusätzliche entdecken, der auf der Beifahrerseite, die wir ja getroffen haben,
waren von unseren Vorgängern schon genug “Spuren”. Tief durchatmen, das einzige, was man sieht, ist der Dreck in der rechten, vorderen Felge und die mitgenommene Gummischürze vorne unter
dem Stoßfänger. Und die Felge sollte bald wieder sauber sein. Trotzdem sitzt uns der Schreck in den Gliedern und Matthias ist nun erheblich vorsichtiger, was uns den ein- oder anderen Rutscher nicht erspart.
In Perama gibt es dann ein verspätetes Mittagessen. In einer recht modern anmutenden
Taverne kehren wir ein. Die Wirtin spricht weder deutsch noch englisch, und auch die kleine Tochter kennt längst nicht alle englischen Begriffe für das, was sich da an Speisen findet. Wir entscheiden
uns für ein paar Spaghetti mit einer kretischen Hackfleischsoße. Natürlich ist nach alter Tradition alles nur lauwarm, und der bröselige
Schafskäse unter der Soße ist auch ungewohnt für uns - aber es schmeckt gut und die Portion ist für den Preis wirklich in Ordnung. Zu zweit zahlen wir (ohne Getränke) gerade mal 10 EUR.
Erst gegen halb sechs am Abend wir es an diesem Tag aufhören zu regnen - und der Wirt in der
Taverne Entasis, der sehr gut (akzentfrei) deutsch spricht, gesteht uns, daß der Wetterbericht noch von zwei schlechten Tagen spricht - kein guten Aussichten!
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